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- Tina Tauß (Leiterin SPÖ.Direkt)
- Karlheinz Kopf (Clubchef der ÖVP)
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Tina Tauß (Leiterin SPÖ.Direkt)
Mailbetreff: Re: Unterminierung demokratischer Grundwerte
Vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wir können Ihre Kritik am §278ff nachvollziehen und teilen in vielen Punkten Ihre Meinung.
Selbstverständlich bekennt sich die SPÖ – nicht zuletzt auch in ihrem Regierungsprogramm – zur internationalen Terrorismusbekämpfung und der Notwendigkeit, in diesem Bereich investigativ und präventiv zu arbeiten. Grund- und Menschenrechte dürfen diesem Kampf aber nicht zum Opfer fallen. Bei Paragraphen wie der Nummer 278 StGB besteht die Möglichkeit, dass er, aufgrund unklarer oder weitreichender Formulierung, auch auf Personengruppen angewandt werden kann, die in keiner Weise gemeint sein sollen.
Die gegenwärtige Debatte um denMafia-Paragraphenund seine Anwendung auf eine Reihe TierschützerInnen sollte uns diese Problematik klar vor Augen führen: Hier wird genau das Gegenteil vom angestrebten Ergebnis bewirkt, da der internationale Terrorismus als wesentliches Ziel die systematischen Unterminierung demokratisch organisierter Staaten und die selbstverschuldete Aushöhlung von BürgerInnenrechten hat. Einer Beschneidung von Grund- und Menschenrechten unter der Flagge derTerrorismusbekämpfungmuss klar entgegen getreten werden.
Bislang ist nicht bekannt, dass der §278a im Sinne seiner Zielsetzung angewandt wurde. Es gilt demnach, eine Lösung zu finden, die einer missbräuchlichen Anwendung in Zukunft vorbeugt. Lösungsvorschläge für eine Reform dieser Bestimmung gibt es mehrere. Eine hat die frühere Justizministerin Dr. Maria Berger in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von Dr. Johannes Jarolim, Dietmar Keck und GenossInnen betreffend derInhaftierung von Tierschutzaktivistengeliefert:
Überlegenswert wäre allenfalls eine Ergänzung des § 278a StGB iSd § 278c Absatz 3 StGB. Nach § 278c Absatz 3 StGB gilt eine Tat nicht als terroristische Straftat, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet ist. Ich denke, dass dieser Gedanke verallgemeinerungsfähig ist. Es geht darum, klarzustellen, dass Handlungen zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter oder in Ausübung von Menschenrechten nicht zur Anwendung des Tatbestandes der kriminellen Organisation führen. Damit wäre auch ein Gleichklang mit dem Rechtfertigungsgrund des § 105 Abs 2 StGB erreicht, wonach eine Nötigung nicht rechtswidrig ist, wenn sie als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Es wären damit Handlungen, wie etwa das Aufhalten eines Tiertransportes und der dadurch verursachte Schaden gerechtfertigt, wenn die Handlung begangen würde, um einen tierquälerischen Zustand zu beenden.
Sollten Sie noch weitere Fragen haben, stehen Ihnen die MitarbeiterInnen von SPÖ.Direkt von Montag bis Freitag zwischen 9.00 und 17.00 Uhr unter der Telefonnummer 0810 810 211 gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Anmerkungen zu dieser Antwort
- Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die SPÖ die Änderungsnotwendigkeit der Paragraphen 278ff einsieht. Damit ihr Vorschlag allerdings den gewünschten Effekt des Schutzes von legalem zivilem Engagement haben kann, ist es von entscheidender Bedeutung wie diese Ergänzung formuliert wird. Es ist zu befürchten, dass eine unausgefeilte Formulierung das selbe Unschärfeproblem bloß auf eine andere Stelle im Text verschiebt. Falls nämlich etwa zum Beispiel nur zivilgesellschaftliche Aktionen von der Strafwürdigkeit ausgenommen werden würden, die rechtsstaatliche Verhältnisse wiederherstellen sollen, würden Aktionen für die Weiterentwicklung unserer Rechtsnormen weiterhin strafbar beliben.
- Der Vorschlag der SPÖ geht allein auf das Problem mit dem Paragraphen 278a ein, vernachlässigt allerdings die ebenfalls äußerst bedenklichen Erweiterungsvorschläge für die Terrorismuspräventionsgesetze wie 278e und f.
Karlheinz Kopf (Clubchef der ÖVP)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vielen Dank für Ihre Email.
Was § 278a StGB anlangt, so ist derzeit ein umfangreiches Strafverfahren in Wiener Neustadt anhängig, das wohl abgewartet werden muss um feststellen zu können, ob die gesetzlichen Formulierungen treffsicher sind oder nicht. Erst nach diesem Verfahren kann daher, was § 278a StGB anlangt, über einen allfälligen Änderungsbedarf diskutiert werden.
Wenn Sie die Bestimmungen des in Diskussion stehenden Terrorismus-präventionsgesetzes ansprechen, so kann ich ihnen mitteilen, dass wegen einer Vielzahl von Bedenken gegen Formulierungen dieses Entwurfes der Diskussionsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Dies ist auch der Grund, warum die parlamentarische Behandlung zurückgestellt wurde. Ich gehe davon aus, dass nach der Sommerpause von Seiten des Bundesministeriums für Justiz entsprechende Klar-stellungen getroffen werden, um berechtigten Anliegen im Zuge der Begutachtung und auch danach Rechnung zu tragen.
Mit freundlichen Grüßen
Anmerkungen zu dieser Antwort
- Wenn niemals Gesetze geändert werden könnten, die gerade angewendet werden, hätte noch kaum jemals ein Gesetz gändert werden können, da zu allen Gesetzen nahezu immer irgendwo Verfahren laufen.
- Bereits die Anwendung der Paragraphen 278ff zu Ermittlungszwecken ist ein schwerwiegender Eingriff in Bürgerrechte, die gut begründet sein sollte, da sie die schwersten verfügbaren Verfolgungsmaßnahmen erlauben. Im konkreten Fall sind (laut staatlichen Verlautbarungen) ergebnislos bis zu 267 Personen überwacht worden.
- Aus seiner Antwort ist auch zu schließen, dass er sich für eine demokratietaugliche Neuformulierung der Paragraphen 278ff nicht einmal zuständig fühlt, da er erklärt auf
Klar-stellungen
des Justizministeriums zu warten.
Unterstützende Organisationen
Initiative Zivilgesellschaft, Schusswallg. 2-2-9, A-1050 Wien, initiative-zivilgesellschaft.at, info@demokratie-retten.at